Wokezeck - die Ambivalenz einer Textanalyse

Im Rahmen des Deutschunterrichts hat unsere Klasse das Theaterstück Woyzeck gelesen und besprochen. Es wurde von Georg Büchner im Jahr 1836 geschrieben. Das Stück handelt von Franz Woyzeck, der ein uneheliches Kind hat und in Armut lebt. Weiter werde ich hier nicht auf den Inhalt des Werkes eingehen. Folgender Text befasst sich mit einem sehr kleinen Teil des Unterrichts, jedoch mit einem Satz meines Deutschlehrers, der mich packte. „Wir sind alles Kinder unserer Zeit.“

Im Unterricht haben wir einzelne Szenen besprochen. In “Kramladen” kauft Woyzeck bei einem Juden ein Messer. Uns fiel auf, dass diese Figur - “der Jude”- keinem Namen trug wie andere Figuren. Zudem erscheint mir der Jude betrügerisch und geizig dargestellt, was ein stereotypisches Bild für Juden sei, meinte unser Deutschlehrer. Daraufhin fragten wir uns, ob Büchner diese Szene antisemitisch meinte oder ob dieser Sprachgebrauch beziehungsweise Stereotyp einfach gängig war zu dieser Zeit.

Die Welt, die Gesellschaft und die Sprache ändert sich mit der Zeit. “Wir sind alles Kinder unserer Zeit”, weil wir von der aktuellen Zeit geprägt werden. Das heisst jetzt in unserem Fall, dass Büchner einen anderen Sprachgebrauch hatte als wir heute. Wenn wir jetzt als “wokes” Publikum diesen Text lesen, sehen wir die Szene mit dem Juden als Diskriminierung. Meinte Georg Büchner diese Szene speziell antisemitisch, oder war das lediglich der Sprachgebrauch seiner Zeit? Um den Text so zu verstehen, wie Büchner ihn meinte, muss so gut es geht sein Weltbild eingenommen werden, man muss sich in seine Zeit versetzen.

Um einen literarischen Text zu verstehen können verschiedene Arten der Textanalyse verwendet werden. Im Unterricht unterschieden wir von einer textimmanenten und textübergreifenden Analyse. Die textimmanente Analyse befasst sich einzig und allein mit dem Text. Hingegen werden bei der textübergreifenden Analyse der Autor, die historische oder biographische Bedingtheit berücksichtigt, die Analyse geht über den Text hinaus. Wir befassten uns auch mit dem hermeneutischen Dreieck, das die Abhängigkeit zwischen Text, Autor*in und Leser*in zeigt. Somit können wir Woyzeck auf verschiedene Arten lesen. Einerseits mit unserem heutigen Weltbild, womit wir die Szene im Kramerladen als Diskriminierung empfinden. Andererseits lässt sich der Text historisch lesen, das heisst wir versetzen uns in die Zeit von Georg Büchner und versuchen den Text mit dem damaligen Weltbild zu verstehen. So kamen wir zum Schluss, dass diese Szene wahrscheinlich nicht speziell antisemitisch gemeint war von Büchner.

Ich finde dieses Beispiel zeigt gut, wie vielseitig literarische Texte sind. Welcher Schluss aus einem Text gezogen wird, ist unteranderem abhängig von der Rezipientin oder dem Rezipienten. Eine Frage, die mich schon lange beschäftigt beim Lesen von literarischen Texten, ist: Was bedeutet ein Text nun für mich persönlich, was bringt er mir jetzt? Der Rezipient, die Rezipientin kann aus dem Text ziehen, was er oder sie möchte. Mit verschiedenen Weltansichten, Problemen und Situationen werden verschiedene Schlüsse gezogen oder vergangene Weltansichten verstanden. Es bestehen viele Möglichkeiten, einen Text zu analysieren. Diese Möglichkeiten sind jedoch bewusst einzusetzen. So kann ein literarischer Text objektiv und historisch betrachtet werden, um jene Zeit besser zu verstehen, oder einfach ohne Hintergrundwissen zum Vergnügen gelesen werden. Wie wir denken, wird immer von unserer aktuellen Zeit beeinflusst und das sollte einem bewusst sein, um einen Text aus verschiedenen Perspektiven zu sehen.

Während meines vierwöchigen Praktikums hatte ich nicht viel Zeit, um mich mit schulischen Angelegenheiten zu befassen. Die grobe Idee für den Blog zu Woyzeck hatte ich zum Glück schon vor den Ferien. So kam es, dass dieser Text kurz vor der Abgabe entstand. Für einen nächsten Schreibprozess ist unbedingt mehr Zeit einzuplanen. Mit der Eingrenzung des Themas hatte ich etwas Mühe, da ich während des Schreibens stets neue Ideen hatte.

Hilfsmittel zum Schreiben waren lediglich meine Notizen, der Text „Woyzeck“ und das Word-Korrektur Programm. Als ich eine Erstversion fertig hatte, habe ich sie selbst überarbeitet. Zum Schluss habe ich den Text meinem Vater gegeben. Dabei war mir wichtig, dass er als aussenstehende Person den Text versteht und der Inhalt klar ist.